Versumpft
Die unerschrockene Redaktion hat in den letzten Wochen ja nicht nur Orte und Länder Jenseits der Grenzen aufgesucht und Berichte aus den Feenwelten zusammengestellt – wie ihr euch in den nächsten Tagen überzeugen könnt. Nein, wir haben uns auch in die von giftigem Nebel umwaberten und von Schwefelkrusten überzogene „Zitadelle der Alchemisten“ gewagt – nach Dakardsmyr, in die Nebel der Myrkansümpfe.
Für Dakardsmyr haben wir erneut das Format des „Mini-Regionalbands“ gewählt, wie ihr es bereits von der Arwinger Mark kennt. Aber wo der Band zur selenischen Küstenregion sich speziell an Lorakis-Einsteiger wendet und viele „klassische“ Themen des Fantasy-Rollenspiels präsentiert, ist das voraussichtlich 56-seitige Heft zur Heimat der Sumpfgnome thematisch … anders: Im Schwerpunkt steht eine Stadt von etwa 50.000 Einwohnern, die fast alle einem einzigen Volk angehören und die untereinander ein enges Geflecht aus familiären und geschäftlichen Beziehungen gewoben haben. Das heißt aber bei weitem nicht, dass dieser Band nur für Sumpfgnomen-Spieler von Interesse ist, denn Dakardsmyr ist eben auch das dragoreische, wenn nicht das gesamt-lorakische Zentrum der Alchemie, und wenn man einen maßgeschneiderten Verwandlungstrunk oder ein Antidot gegen eine seltene Vergiftung sucht, wird man hier am ehesten fündig.
Im Herzen der Myrkansümpfe
Nun ist es nicht ganz einfach, zur Stadt zu gelangen, denn sie liegt im Herzen einer trügerischen Sumpflandschaft, wo sich Wege binnen Tagen in Todesfallen verwandeln können, wo in Teerpfützen Blasen platzen und vielfarbige Gase ausstoßen, fast jedes jagdbare Tier irgendein Gift in sich trägt – und wo sich in aller Heimlichkeit sogar Banden von Orks niedergelassen haben. Und doch leben auch in diesem Sumpf, fernab des Schutzes der Stadt, gnomische Prospektoren, die die Schätze des Landes bergen und bei den Rohstoffaufkäufern in der Metropole einen guten Lunar verdienen. Dieses Wagnis kann man natürlich auch als Außenstehender eingehen, aber es ist sicher gesünder, in der Stadt zu handeln.
Denn dort ist man auf den Besuch von Fremden durchaus vorbereitet. Viele der ebenerdigen Geschosse der großen Gebäude – und die Häuser hier sind fast immer groß, weil meist ein kompletter Block zu einem Gebäude zusammengewachsen ist – können selbst Varge beherbergen, und die meisten Brücken und Fährboote tragen auch ihr Gewicht. Von den vielen Brücken und Rohrleitungen in teils schwindelnden Höhen kann man dies nicht immer behaupten.
Türme und Brücken, überkragende Erker und gewundene Rohrleitungen, geisterhaftes alchemisches Licht, das durch den Nebel schimmert und eine ameisenhafte Geschäftigkeit prägen den Anblick der Stadt. Die Nase dagegen sollte man als Fremder stets mit einem duftöl-getränkten Tuch schützen, denn egal ob er „natürlich“ aus dem Sumpf aufgestiegen oder einem Alchemistenkessel entfleucht ist, ein Dakardsmyrer Geruch ist ein hartnäckiges, bissiges, eigenständiges Lebenwesen. Und nicht umsonst gehört der Mundschutz selbst für Einheimische zur Tracht – und die Brandwehr ist eine der wichtigsten Gilden.
Die Sumpfgnome
Womit wir bei der Gesellschaftsorganisation wären. Fast jeder der städtischen Gnome hat eine dreifache Existenz: als Familien- und als Gildenmitglied sowie als Teilnehmer einer der unzähligen Kabalen, der wichtigsten Freizeitbeschäftigung der Dakardsmyrer. Gilden und Familien dagegen bilden die Grundlagen der städtischen Wirtschaft und sind gleichzeitig die Quellen von Recht und Ordnung. Wer einer wichtigen Gilde – namentlich natürlich den Alchemisten, aber auch den Prospektoren oder den Klempnern – angehört und auf einen klingenden Nachnamen wie Albenwirth oder Wandling hört, der kann es in der Stadt weit bringen.
Einfluss ist insgesamt ein wichtiges Thema, denn auch wenn die Sumpfgnome großen Wert auf familiären Zusammenhalt, auf Gemütlichkeit und die Freuden des Lebens legen, wissen sie doch, auch ohne Bandagen zu kämpfen. Und für Außenstehende mögen manche Sitten skurril wirken, aber wer einen Dakardsmyrer für eine Witzfigur hält, mag sich bald am falschen Ende eines Handelsvertrags oder mit einem schleichenden Gift in der Blutbahn wiederfinden …
Jenseits von Dakardsmyr
Neben der eigentlichen Metropole und den umgebenden Schwefelmarschen werden in dem Band auch die Hafenstädte Myrkansmund und Gründelgrund beschrieben, wichtige Außenposten für den Fernhandel Dakardsmyrs, die sich untereinander aber nicht immer wohl gesonnen sind. Auch die Festung Krähenwacht an der Grenze zu Selenia hat natürlich einen eigenen Eintrag.
Und da das Buch wie erwähnt das Format eines Mini-Regionalbandes hat, dürfen natürlich auch die zugehörigen Abenteuer nicht fehlen:
Das erste Abenteuer des Bandes ist Die Totengräber von Dakardsmyr von Jörg Löhnerz, das einige typische Eigenheiten der Stadt aufgreift: das Interessensgeflecht der Gilden, die komplexe Gesetzeslage, die Abgeschiedenheit der Stadt. Und ein Mord. Vor den Augen der Abenteurer. Und die Frage nach der Zuständigkeit. Aber keine Angst – dies ist nicht Kafkas Prozess, sondern ein Abenteuer, in dem geschickte und gewitzte Abenteurer durchaus „handfeste“ Lösungen finden können.
Der Splitterhagel, der die Schwefelmarschen schuf, hat nicht nur den Boden aufgewühlt und die Landschaft gravierend verändert – er hat auch die Grenze zwischen den Domänen durchlöchert, und so sind feeische Phänomene keine Seltenheit in den Myrkansümpfen. Da die Gnome aber aus den Welten, aus denen sie einst verjagt wurden, die Liebe zu Pakten und Verträgen mitbrachten, wussten sie die Situation schnell zu nutzen. So wurden zum beiderseitigen Nutzen Verträge mit den Mächten jenseits der Grenzen geschlossen.
Aber wie es mit Feenpakten nun einmal ist, der Kobold steckt im Detail. Und nun behauptet ein dubioser Untergangsprophet, dass die Stadt bald von den Sümpfen verschluckt werden wurde. Genau davon handelt das Abenteuer Bis zum Hals von Uli Lindner.
Abgerundet wird der Band von einem großartigem Stadtplan von Hannah Möllmann.
„Dakardsmyr – Im Nebel der Myrkansümpfe“ kann hier vorbestellt werden (Erscheinungstermin voraussichtlich April/Mai 2016).
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