LARP in Lorakis: Die Premiere
von Lars Reißig und Stefan Unteregger
In der Zeit vom 10.-13. Juli fand das höchstwahrscheinlich weltweit erste Splittermond-Larp statt. Uli hatte mich als Teil der fünfköpfigen Orga vorab gebeten, dazu doch einen Blogbeitrag zu schreiben, was ich ihm sehr gern versprochen habe. Also, aus meiner Sicht:
Die Arbeit am Larp begann schon vor etwa zwei Jahren, als die Orga (Tina Reißig, Stella Kühne, Christian Rückert, Philipp Seeger und ich) in dieser Form zusammenfand und erste Ideen wälzte. Schon früh war ein Feenmarkt und ein starker Fokus auf andersweltliche Konfliktparteien Teil des Konzeptes, das sich zunächst noch nicht auf Lorakis bewegte, denn Splittermond war zu diesem Zeitpunkt noch Zukunftsmusik. Was wir umso schneller wussten: Es sollte ein kleiner Einladungscon mit maximal 60 Leuten werden, um auf Wünsche und Vorstellungen der Teilnehmer eingehen zu können. Wir wollten Musik und Tanz als feeische Elemente in die Handlung einbinden (und fragten daher in der Einladung Willen und Bereitschaft der Teilnehmer ab, sich jenseits eines Fluchtreflexes zu Musik zu bewegen). Klar war auch, der Ort des Geschehens sollte das Mittelalterdorf der Jugendbildungsstätte Fürstenberg sein, und die Verpflegung sollte die Trutzhavener Feldküche übernehmen – jeweils Profis, mit denen es wahnsinnig viel Freude macht, so ein Projekt zu stemmen!
Dann kam das erste Planungstreffen der Splittermond-Autoren, und recht bald wurde mir klar: Das neue System passte für unsere Zwecke ideal! Sobald die offiziellen Planungen für Splittermond konkret genug waren und ich das Okay vom Uhrwerk-Verlag bekommen hatte, den Rest der Orga einzuweihen (an dieser Stelle nochmal: danke, Patric, für ganz viel Entgegenkommen und Unterstützung auch später während der gesamten Planung!), wurden wir also eines der ersten Fanprojekte für das System. Die Einladungen gingen raus, und dann begann erstmal eine Zeit der Unsicherheit: Würden genug Spieler sich auf ein System einlassen, von dem es zu diesem Zeitpunkt kaum mehr als eine Kurzvorstellung im Netz gab? Was soll ich sagen – ja, das haben sie. Wir hatten sogar Vertreter aller spielbaren lorakischen Rassen vor Ort!
Für uns von Vorteil war natürlich, dass wir auch einige Splittermond-Autoren, Supporter und Testrundenspieler mit auf der Einladungsliste hatten, für die das Experiment entsprechend nicht ganz so groß war. Für alle anderen aber war Lorakis Terra Incognita, und für einige unserer Spieler stellte dieses Larp nicht weniger als den rollenspielerischen Erstkontakt dar. Da waren vermutlich nicht nur wir aufgeregt…
Dann nahm der Plot Gestalt an. Von unserer Seite aus stand früh fest, dass mehrere Feenhöfe in Konflikt miteinander lagen und dieser Konflikt sich auf die Welt der Sterblichen ausdehnen würde; die drei lorakischen Monde sollten eine starke Rolle spielen (präzise: zur Sonnenwende in Konjunktion stehen, was den Vorteil hatte, dass wir keine Special Effects für den Nachthimmel brauchten…), Anleihen aus Gaimans Sternwanderer, Butchers Harry-Dresden-Reihe, Filmen wie Pans Labyrinth etc. sollten als Anspielung erkennbar sein, und wir wollten ganz klar den Plot persönlich auf möglichst viele Spieler zuschneiden. Wie viele von denen sich dann mit genau passenden Figuren angemeldet haben, und wie sehr sich die Hintergrundgeschichten einiger Charaktere aufeinander abstimmen ließen, hatten wir kaum zu hoffen gewagt. So sollte auch der Soap-Faktor episch werden: Väter würden auf totgeglaubte Töchter treffen, Spielbälle uralter Intrigen auf Suchende aus Prophezeiungen, und mittendrin suchte ein Feenritter ohne Gedächtnis nach sich selbst – das waren unsere Zutaten.
Und das Ergebnis? Naja, da muss ich an meinen Autoren-Kollegen Stefan abgeben, denn ich musste leider feststellen: Vom Splittermond zum Splitterbruch ist es oft nur ein kleiner, falscher Schritt beim Vorbereiten der Location… Ich habe mir nur wenige Stunden vor Eintreffen der Spieler das Bein gebrochen, das Larp im Krankenhaus verbracht und muss mich auf Berichte verlassen, wie genial das ganze am Ende war. War es doch aber, oder, Stefan? [Man denke sich hier eine drohend geschwungene Gehhilfe.]
Äußerst genial – und das sage ich jetzt nicht nur, weil man mir mit virtuellen Krücken droht! Aber beginnen wir am Anfang, als nach dem üblichen Ankommen, Warten, Umziehen, Spielleitung Nerven und Rumalbern der Startschuss erfolgte. Wir Spieler wurden in kleine Reisegrüppchen aufgeteilt in den Wald geführt, bekamen dort einen wunderhübschen Einstiegsprolog mit Musik, und dann ging es an die Anreise – jeweils mit kleinen Begegnungen im Wald aufgelockert. Wir waren allesamt auf dem Weg ins kleine Dörfchen Andermark, wo einmal in einem Menschenleben ein Feenmarkt stattfindet. Und so ein Markt stand nun wieder bevor.
Unterwegs stießen wir auf eine Jägerin, die mit großer Sorge einen weiß leuchtenden Baum untersuchte. Dies, so sagte sie uns, wäre ein Zeichen des Weißen Hofes, und das wäre ein Problem, denn der alsbald beginnende Markt sollte unter dem Schutz des Hofes der Fülle stehen. Mit der frohen Gewissheit, in Kürze zwischen zwei streitenden Feenhöfen zu stehen, zogen wir weiter und erreichten wohlbehalten das Dorf (das oben schon genannte, äußerst sehenswerte Mittelalterdorf).
Im Lauf des Abends trafen dort noch zahlreiche Gäste ein, berichteten von Räubern im Wald und dergleichen – und dann wurde es Zeit, den Markt zu eröffnen. Die Dorfbewohner riefen uns zur großen Feuerstelle, wo unter der Anleitung des Dorfältesten der Tanz aufgeführt werden sollte, der die Feen zum Markt bittet. Leider erschien auf unser eifriges Tanzen kein prächtiger Zug von Marktteilnehmern aus der Anderswelt, sondern nur eine einzelne, vollkommen verängstigte Fee – die Komplikationen hatten begonnen…
Schnell stellte sich heraus, dass jemand aktiv daran arbeitete, den Markt zu verhindern, und sich dabei nicht nur sterblicher Schergen, sondern auch Helfer aus der Anderswelt bediente. Und zu allem Überfluss hatten wir einen Ritter in unserer Mitte, der nicht nur eine starke Verbindung zur Anderswelt an sich aufwies, sondern auch mit eben jenen finsteren Feen verbunden schien, die gegen den Markt vorgehen wollten – und der auch noch sein Gedächtnis verloren hatte.
Die nächste Zeit über waren wir also damit beschäftigt, Hinweisen nachzugehen und Puzzleteile zusammenzufügen, wobei sich hier eine große Stärke des Organisationsteams zeigte: Die plotrelevanten Informationen waren gut verteilt und stets in mehreren Quellen verborgen, sodass meist mehrere Leute aus verschiedenen Richtungen an einem Rätsel arbeiten konnten und keine Engpässe oder verschwundene Info-Schnipsel das Spiel zum Erliegen brachten. Und so folgten wir Visionen und Träumen, durchwühlten alte Chroniken und setzten zerschnipselte Pakte wieder zusammen, wehrten uns (mehr oder weniger erfolgreich) gegen andersweltliche Angreifer, deren übermenschliche Schnelligkeit und Kraft uns sehr zu schaffen machten. Während die einen auf eine Geistreise gingen, um verlorene Erinnerungen zu befreien, durften sich andere im Wald mit einem charmanten Totenschädel und seinen anatomischen Studien auseinandersetzen.
Besonders schön war es dabei, zu sehen, wie rund um uns Lorakis lebendig wurde: Unter den Besuchern des Marktes waren Gäste aus Dragorea, Pash Anar und Takasadu, und sogar ein paar Details aus dem noch gar nicht veröffentlichten Abenteuer Der Fluch der Hexenkönigin waren bereits in die Geschichte und Hintergründe des Feenmarktes verwoben worden. Und es ist einfach wunderbar, wenn ein schwer gerüsteter Zwergenkrieger den Kampf beginnt, indem er im Angesicht auf ihn zustürmender dunkler Feenhorden erst einmal einen Schutzzauber spricht…
Am Ende des Tages hatten wir jedenfalls mitgeholfen, den Einfluss der finsteren Göttin Iosaris auf die Welt zurückzudrängen, einen Feenprinzen wieder in sein altes Amt einzusetzen, einen Pakt aufzulösen und neu zu schmieden und so das Gleichgewicht zwischen den Feenhöfen wiederherzustellen. Der Feenmarkt von Andermark besteht weiter (Lars, den schreiben wir doch in den Anderswelten-Band, oder?). Und ganz nebenbei konnte ich auch noch den kleinen Auftrag erfüllen, den die Dreigesichtige Hekaria meinem Hexer mitgegeben hatte.
Alles in allem: Ein sehr gelungenes Wochenende, das nicht nur mich nach einer Fortsetzung schreien lässt (tut mir leid, Freunde, aber das habt ihr euch selbst eingebrockt…)!
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