Maerissas Befreiung ⎯ Teil eins

Veröffentlicht am 25. Februar 2016 von Uhrwerk Verlag in Lorakische Geschichten

Es war der Morgen nachdem Lavador von Rosthaupts Tod und der Gefangennahme seiner Tochter Maerissa durch die Patalier erfahren hatte. Der Schankraum der „Drei Münzen“ war fast leer, nur einige wenige Piraten saßen noch an den Tischen. Kascha, die zwergische Wirtin und ihr Patron, Kapitän Djavar, sprachen gerade miteinander an der Theke als die Eingangstür aufschwang und Kapitän Jaakal zielsicher auf Djavar zu marschierte.

„Schönen Tag, mein Lieber.“ Der junge Kapitän lehnte sich breit grinsend an die Theke. „Wegen der Geschichte mit Rosthaupts Tochter.“

„Ja?“ Djavar sah ihn irritiert an.

„Das ist schon eine Frechheit was sich diese Patalier da erlauben. Ich meine, welche Anmaßung ist es, UNS ALLEN einen derartigen Schlag ins Gesicht zu verpassen? Ich habe ein paar meiner Jungs und Mädels losgeschickt die Kapitäne hier her zu holen…“

„Oh, Du lässt die Kapitäne herholen?“ Djavar wirkte amüsiert. Während der junge Jakaal gerade mal sein erster Kommando hatte, war der alte Seebär Djavar vermutlich schon länger Kapitän als Jakaal überhaupt am Leben.

Der junge Mann mit den strubbligen braunen Haaren zuckte die Achseln. „Was soll schon passieren, es geht hier um die Sache… ALSO? Dabei?“

Djavar ließ ein dröhnendes Lachen hören. „Jungchen, du erinnerst mich an mich selbst als ich noch in deinem Alter war. Permanent die Grenzen austesten. Dafür gibt es einen aufs Haus!“

Er bedeutete Kascha Rum einzuschenken.

„Nun, denn!“ Djavar packte die ausgestreckte Hand Jaakals. „Mein Söldnerhaufen und meine Tochter als Kommandantin wären dabei.“

Nun, dachte Kascha bei sich, seit Djavar sein Schiff im Kartenspiel verloren hatte, konnte er auch kaum mehr als Issana und die Seesöldner aufbieten. Es würde schwer für ihn, sein Gesicht zu wahren, sollte auch Kapitänin Adawae an dieser Aktion teilnehmen, immerhin kommandierte sie jetzt Djavars altes Schiff. Auch wenn es jetzt Sekalsflosse hieß, so würden doch viele die Sturmbringerin erkennen.

****

Tatsächlich fanden sich nach und nach gut ein Dutzend der Kapitäne von Lavador in den „Drei Münzen“ ein – inklusive Adawae. Die dunkelhäutige Frau mit ihren auffälligen Hautmalereien und dem Knochenschmuck war eine der letzten, die den Schankraum betrat.

Es war jedoch die aufbrausende Kapitänin Zahida, die als erste das Wort ergriff: „Nun? Segeln wir alle zusammen nach Markeh?!“ Zahida hatte offenbar Blut geleckt. „Lasst uns den Pataliern zeigen, warum man Lavador fürchten muss!“

„Jaakal, hast du auch einen Plan oder hoffst du, die Patalier mit deinem Charme zu bezirzen?“, fragte Kapitänin Simin skeptisch und strich sich eine Strähne ihres schwarzen Haars aus dem Gesicht. „Markeh ist eine Festung. Nichts wo man so einfach reinspaziert.“

„Natürlich hab ich einen Plan.“ Jaakal genoss es wieder im Mittelpunkt zu stehen. „Versorgungstransporte!“ Er faltete ein Bündel zerfledderter Karten und Zettel auf. „Einem Freund der Familie ist die Route eines Versorgungsschiffes für Markeh in die Hände gefallen. Interessanterweise ohne Bedeckung und auf einer sehr diskreten Route abseits der Strömungen. Wenn wir diesen Pott abfangen und aufbringen, haben wir quasi einen Passierschein in den Hafen. Und einen riesigen Lagerraum für Truppen.“ Er zwinkerte Djavar kurz zu.

„Und in Markeh wird keiner irgendwelche Papiere sehen wollen?“ Kam eine Stimme aus den hinteren Reihen, gefolgt von gehässigem Lachen.

„Nicht wenn das Versorgungsschiff auf der Flucht vor mehreren Korsarenschiffen ist, und…“ Jaakal zog die Pause künstlich in die Länge. „Nicht, wenn sich am Bord des Schiffes etwas befindet, auf das der Kommandant in Markeh sehnsüchtig wartet.“

Adawae schien noch nicht überzeugt. „Nicht uninteressant. Aber auch nicht ungefährlich. Ich bin mir sicher, ich kann unsere Passage in den Hafen noch etwas reibungsloser gestalten. Und wie geht es weiter, wenn wir drinnen sind? Maerissa wird wohl nicht in einem Käfig an den Docks festgehalten, oder?“

„Da werden wir wohl ein wenig kreativ werden müssen.“ gestand Jaakal „Djavar, wenn möglich würde ich gerne mit deinen Söldnern hinein. Ich hätte auch noch ein paar Freiwillige. Mein Bootsmann wird zeitgleich draußen mit der Hexe Haken schlagen.“

Djavar nickte: „Einverstanden. Klingt nach einem rechten Himmelfahrtskommando. Also ganz nach unser aller Geschmack!“ Er lachte kurz auf. „Jak, wenn du meine Tochter und ihre Leute in die Höhle des Löwens führst, schlage ich vor, dass ich selbst von deiner Hexe aus den Einsatz der restlichen Flotte koordiniere. Wir können die Feste von außen zur Ablenkung angreifen, während unsere Leute drinnen nach Maerissa suchen. Aber Adawae hat recht, wir brauchen einen Plan, wenn das Versorgungsschiff anlandet“

Der alte albische Kapitän Naarin blickte zu Adawae. „Ihr wisst mehr über magisches Wirken als die meisten hier, was schlagt ihr vor?“

Adawae überlegete kurz. „Es wird blutig werden, wenn wir uns durch die Festung kämpfen – und am Ende stehen wir an dem Punkt, der darauf ausgerichtet ist, dass Leute nicht von dort entkommen können.“ Sie pausierte kurz, bevor sie weitersprach. „Ich habe aber einen Strukturgeber in Aussicht, der Gestein verformen kann. Dann schaffen wir uns unseren eigenen Ausgang aus der Feste. Das wird noch immer blutig, aber ein größerer Teil des Blutes stammt dann von den Pataliern. Kreativ genug?“ Sie lächelte.

„Kapitänin Adawae, ich denke diese Unternehmung wird sich für alle Beteiligten auszahlen. Aus meiner Sicht steht demnach nichts im Wege mit eurer Unterstützung die Mauern der Festung zu ignorieren.“ Kapitän Dariel Sturmklinge hatte sich von seinem Stuhl erhoben und lehnte sich mit beiden Fäusten auf dem Tisch gestützt vor. „Aber dennoch bleibt die Frage ob jemand weiß, in welchem Verlies sich Maerissa befindet, denn es wird zweifelsohne weit verlustreicher, wenn wir das gesamte Gefängnis nach ihr durchforsten müssen. Hat hier jemand glaubhafte Informationen oder kann diese beschaffen? Dann folgt die Stumklinge Kapitän Djavars Kommando mit Vergnügen in die Schlacht.“

„Ich kann herausfinden, wo auf der Festungsinsel Maerissa genau festgehalten wird.“ verkündete auf einmal Zahidas Quartiermeisterin Vizaria laut und trat zwischen die Kapitäne. „Gebt mir einen Tag Vorsprung und ich kann die Festungsinsel infiltrieren und euch beim Angriff dann den Weg weisen.“

Vizaria sah in die Runde. „Zudem weiß ich, dass Kapitän Yamau die patalischen Gewässer gut kennt, sogar eine Karte der Gefängnisinsel Markeh besitzt er. Wenn er uns die zur Verfügung stellt, müsste sich damit so einiges anfangen lassen…“

„Ah Freunde, was eine vortreffliche Zeit!“ Jakaal hob feierlich die Hände. „Geeint gegen den Feind! Dann lasst uns doch über Details sprechen! Hatte ich eigentlich schon die Fässer mit Seefeuer erwähnt, die mir zugefallen sind…?“

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Wie träge Geier auf einem dürren Ast im Wind, schaukelten die Schiffe der Korsaren aus Lavador weit ab von der sicheren Küste auf dem Wasser. Wenn die Informationen von Jaakal richtig waren, würde das Handelsschiff mit der „speziellen Fracht“ für den Kommandanten der Festung Markeh hier entlnag fahren, abseits der offiziellen Handelsrouten und günstiger Winde. So weit draußen, auf dem Präsentierteller zu liegen, gefiel den meisten der beteiligen Piraten wenig, doch das Handelsschiff nahm diese ungewöhnliche Route offenbar um seine teure Fracht, eine kunstvolle Büste für den nicht uneitlen Kommandanten Birijan den Gerechten, unauffällig zur Festungsinsel zu bringen.

Die Korsarenschiffe, insgesamt neun an der Zahl lagen reglos nebeneinander, wie eine schwimmende Stadt. Die seealbische Sturmklinge neben einer mertalischen Handelsgaleere mit einem Rammsporn am Bug, der Möwenhetzer, die Kogge von Kapitän Knarzzahn an der Seite der Sekalsflosse unter dem Komando der dunkelhäutigen Adawae. Am auffälligsten jedoch war die Kulzarak, die berüchtigte Dschunke des Kapitäns Barwol Kunai, deren rotbraunen Bordwände mit Krakenhaut bespannt waren und deren hochgezogener Bug vom Gebiss eines Riesenhais gekrönt wurde.

Die Männer an Deck starrten erwartungsvoll auf den Horizont und Erleichterung ging durch die Reihen als endlich ein ausguck rief: „Schiff in Sicht!“. Auf der Seehexe ließ sich der junge Kapitän Jaakal sein Fernrohr bringen und peilte einen Punkt am Horizont an. Winzig klein und hinter den Wellen verborgen zeigte sich schließlich ein breiter Rumpf und die Takelage dreier Rechtecksegel. „Könnte passen.“ Der Kapitän nickte einer Matrosin zu, die sogleich eine rote Flagge hisste, das Zeichen für die anderen Schiffen zum Angriff. Lebhafte Bewegungen setze ein und die Ruder klatschten ins Wasser als die Schiffe in Position gingen. Mit einem lauten Knattern fielen die Segel herab und fingen den Wind ein. Grazil nahmen die Schiffe an Fahrt auf und beschleunigten.

Zu beide Seiten der Seehexe fächerten die Korsarenschiffe langsam auf, um den trägen Handelstransport in die Mangel zu nehmen. „Sehr gut!“ sagte Jakaal lächelnd. „Legt euch in die Riemen, Männer!“ Er winkte den übrigen Schiffen zu und schaute in Richtung des grösser werdenden Punktes am Horizont. Die Flaggen der Korsaren schnellten den Mast herauf und entrollte sich. Der Punkt am Horizont, nun deutlich als Dreimaster mit bauchigem Rumpf zu erkennen, kippte gen steuerbord ab. Er versuchte zu drehen. Ein Fehler, da er kaum Wind und wenig Möglichkeit hatte gegen die geruderten Korsaren anzukommen. Die Piratenschiffe umschlossen sichelförmig den Händler. Die Korsaren begannen laut zu johlen. In einem letzten Versuch günstige Winde zu erwischen drehte sich das Transportschiff noch einmal um wenige Grad, doch schon schoben sich die Jahanara und die Hexe längsseits und laut schreiend ergossen sich die Piraten auf das Deck des Händlers

Der Kampf war kurz und blutig. Einige der mutigeren oder dümmeren Matrosen zahlten mit dem Leben, die Übrigen hatten genug Verstand die Waffen zu strecken und so befand sich das Schiff nach einigen Minuten in der Hand der Korsaren. Jakaal trat an Deck, in seinen Händen die geschmacklose Mamorbüste Birijan’s des Gerechten. „Markeh, wir kommen!“

von Avalia, Candacis, Cifer, DrGonzo, Irian, Irvin und Jeong Jeong

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